Das ist sie also. Apples Smartwatch. Die Apple Watch.

 

Apples Einstieg in die Welt der Wearables wurde bei der Präsentation am 09. September gefeiert, wie die Wiederauferstehung des Heilands. Ich kann es verstehen, schließlich standen iOS-Benutzer ja bisher Smartwatch-los da. Das hat natürlich bisher niemanden gestört, weil wer braucht schon sei einen kleinen Computer an der Hand, wenn man sein iPhone eh immer dabei hat? -Bis dann das entsprechende Gerät für das eigene System vorgestellt wird. ;)

Ich verstehe die Freude über die Uhr – ich freue mich sehr auf meine Moto 360 und ich finde, dass es auch iOS-Usern vergönnt sein soll eine Smartwatch mit praktischen Features zu haben.

Nachdem ich die Präsentation einige Tage habe sacken lassen und mir so ziemlich alle verfügbaren Hands-On Videos zur Uhr angesehen habe, möchte ich jetzt einmal meinen Senf dazu geben.

 

Wie sieht die Uhr aus?

Die Apple Watch erinnert im Design stark an das ursprüngliche iPhone, nur in klein, und mit einem Rad, und einem Armband. Aber die Ähnlichkeit ist frappierend.

Von oben gesehen findet man ein 1,5 Zoll oder wahlweise 1,65 Zoll großes Display, das unter einem gewölbten Deckel von Saphirglas steckt, umgeben von einem Gehäuse aus rostfreiem Stahl (oder Aluminium – oder Gold). Auf der Unterseite findet man eine Anordnung von Sensoren, die wiederum unter einer Glaskuppel stecken. An der einen Seite (Apple unterscheidet zwischen link- und rechtshänder-Versionen) befindet sich ein Aktionsknopf und die sogenannte „digital crown“.

Man hört verschiedenes zur Uhr: die einen finden das Design großartig, empfinden die Uhr als elegant oder schick – andere finden, dass sie zu dick und im direkten Vergleich zu den wenigen runden Smartwatches, die es bisher gibt, nicht ansprechend.

Zu den Maßen der Uhr gab es keine richtigen Angaben, Paul Sprangers hat auf seiner Internetseite ein wenig nachgerechnet, Bilder verglichen und analysiert und kommt auf folgende Maße für die Uhr:

1,65 Zoll Version: Höhe: 42mm | Breite: 36,2 mm | Dicke: 12,6 mm

1,5 Zoll Version: Höhe: 38 mm | Breite: 33 mm | Dicke: 12,3 mm

 

Besonders stechen die wechselbaren Armbänder hervor. Hier hat Apple auf jeden Fall einen Bonus integriert, der vielen Leuten schmecken wird. Ich habe heute ein Meeting: ich ziehe das segmentierte Metallarmband an. Ich trage rote Schuhe: ich nehme das rote Armband, etc. Zwar bieten andere Smartwatches ebenfalls Wechselarmbänder an (beispielsweise die Smartwatch 3 von Sony), der Wechsel dieser ist dann aber oft mit etwas mehr Aufwand verbunden, oder ist eben einfach nicht so schick.

Wir brauchen uns aber keine Illusionen machen: die original Apple-Armbänder werden verdammt teuer werden.

Apropros teuer: die günstigste Variante der Uhr wird 349$ kosten (wir können davon ausgehen, dass dieser Preis so in Euro übernommen wird) – das sollte dann der Sport-Version der Uhr aus Aluminium mit 1,5″ Display entsprechen. Dann gibt es noch die „normale“ Apple Watch und eine Apple Watch Edition, die mit 18 Karat Gold daher kommt. Die Preise dürften auch hier nach oben noch Luft haben.

 

Das Bedieninterface

Apple setzt hier auf eine Kombination aus Touchscreen, einem dedizierten Aktionsknopf und der „digital crown“, einem Drehrad, das man drücken kann. Die Auswahl der Apps auf dem Homescreen erfolgt durch „klassische“ Toucheingabe, man kann allerdings durch das Rad in der Übersicht rein und raus zoomen. Das ist übrigens die Hauptaufgabe des kleinen Drehknopfes: zoomen. Wobei es Videos gibt, in denen gezeigt wird, wie man das Watchface noch einmal zusätzlich in Farbe und Zusammensetzung anpassen kann, indem man einfach an dem Rad dreht.

Die Anwendungsbeispiele haben sich allerdings auf diese zwei Möglichkeiten beschränkt. Es wurde Hereinzoomen in Apple Karten und in iPhoto gezeigt.

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Es werden von Haus aus Kommunikationsmöglichkeiten, die Apple-Watch-exklusiv sind, integriert: Man kann einem Kontakt, der ebenfalls über ein Uhr verfügt kleine Bilder auf das Display malen, über verschiedene Muster vorgefertigte Nachrichten schicken oder sich den Herzschlag des anderen übertragen lassen. creepy…

Das Touchfeld ist druckempfindlich, kann also zwischen einem festen Druck und „normalem“ Berühren unterscheiden.

Erfreulich ist, dass Apple das SDK für die Apple Watch für alle Entwickler zugänglich macht, es ist also nur eine Frage der zeit, bis man auf der Uhr genau so viele Apps installieren kann, wie auf dem iPhone.

 

Technik

Hierzu ist leider wenig bekannt – Apple gab fast keine Informationen heraus. Das Display hat eine unbekannte Auflösung, den Bildern nach zu urteilen im 4:5 Format. Die Größe des Akku ist ebenfalls unbekannt, man bewarb die Uhr jedoch damit, dass man sie gut bedienen kann, wenn man sie nachts lädt. Hier darf man hinein interpretieren, was man mag. Interner Speicher: unbekannt, RAM: unbekannt, Prozessor: unbekannt.

Aber gerade bei Smartwatches sollte man sich nicht von Spezifikationen in die Irre führen lassen. Diese Geräte sollen keine 4K-Videos abspielen, während man Infinity Blade 4 darauf spielt.

Auf der Unterseite sitzen, wie schon erwähnt optische Sensoren, die der Pulsmessung dienen.

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Erscheinen soll die Uhr Anfang 2015 – was alles zwischen dem 01.01. und dem 30.04. sein kann. Heutzutage sind diese Begriffe bekanntermaßen sehr dehnbar.

 

Was halte ich jetzt also von der Apple Watch?

Ich bin hin und her gerissen: auf der einen Seite denke ich mir „es ist die einzige iOS-kompatible Uhr, die es gibt – man kann nicht wählerisch sein“. Auf der anderen Seite sehe ich, was alles hätte sein können; Apple beschäftigt großartige Designer, könnte hardwareseitig so vieles möglich machen und dann das?

Und wofür brauche ich zusätzlich zum Touchscreen der Uhr noch ein Rad, mit dem ich bestimmte Elemente steuern kann (aber nicht alle) ? Weil man mit dem Touchscreen auch nicht alles bedienen kann. Man wird also immer wieder Elemente haben, die man mit dem einen oder dem anderen oder eventuell mit beiden bedienen kann, das muss man dann herausfinden. Achja: und manche Sachen kann man dann nur mit dem kleinen Knopf, den JEDER für den Powerbutton (der keiner ist) hält, bedienen – anstatt einfach auf dem Touchscreen drauf zu tippen.

Das Interface der Uhr finde ich mehr als fragwürdig. Ich habe ein wenig die Befürchtung, dass man doch ein bisschen versucht hat, ein kleines iOS auf die Uhr zu bringen. 40 kleine Symbole auf dem Homescreen, 247 kleine Bilder in iPhoto… Dafür sollte eine Smartwatch nicht gedacht sein. Wenn ich jemandem meine Fotos zeigen will, dann hole ich doch mein (jetzt größeres) iPhone raus – ich muss es ja ohnehin bei mir haben, weil die Uhr nicht autark funktioniert.

Auch Android Wear hat hier noch Nachholbedarf, aber hier geht man wenigstens schon den Weg, mit großen Icons und Karten zu arbeiten, anstatt immer mehr in immer kleiner auf das ohnehin schon sehr kleine Display zu packen.

Die Funktion der Watch-Nachrichten finde ich gut. Kleine, vorgefertigte Nachrichten an einen Kontakt senden: das ist eine gute Idee. Kein Diktieren, keine kleine Tastatur… einfach ein „ich bin auf dem weg“ oder „komme etwas später“ schicken können finde ich sehr gut. Ob man aber grundsätzlich alle Uhr-Nachrichten ungefragt zugestellt bekommt, oder man dafür in eine Konversation treten muss, ist nicht bekannt – es könnte also sein, dass man in einem Meeting sitzt und plötzlich schickt dir jemand einen kleinen Penis auf deine Uhr. (Bitte bitte bitte lasst das passieren)

Ist die Uhr zu dick? Ich denke nein. Mit mutmaßlichen 12,irgendwas Millimeter ist sie wenig dicker, als andere Smartwatches auf dem Markt. Durch das gewölbte Glas auf der Unterseite wird sie sich sicherlich an den Arm anschmiegen und letztendlich weniger dick wirken, als sie ist.

 

Was bleibt?

Apple hat sich wieder einmal als den Heilsbringer dargestellt. Das ist sicherlich, was mir am meisten stinkt.

Smartwatches sind heute schon streng genommen ein fast alter Hut. Aber das waren Tablets auch schon, als Apple das iPad heraus brachte und dennoch war es eine Revolution. Insofern kann man froh sein, dass die Apple Watch endlich da ist, denn dadurch werden Wearables endlich in der Gesellschaft etabliert. Man guckt mich heute immer noch an, wie einen Cyborg, wenn ich auf meiner Smartwatch 2 eine Nachricht lese. Aber trotzdem: Apple hat nicht vorgemacht, wie eine Smartwatch sein muss und Apple hat auch nicht vorgemacht, wie eine Smartwatch aussehen muss.

Zum Schluss möchte ich euch mit einer Überlegung gehen lassen:

Entfernt das Apple Logo von der Uhr, entfernt die Präsentation der Uhr in bester Cupertino-Manier aus eurem Gedächtnis und stellt euch vor, Samsung oder HTC oder Huawei oder Lenovo hätte diese Uhr mit diesen Features in diesem Design vorgestellt.

Was hätte die Technikwelt wohl dazu gesagt? Wie würdet ihr dann zu der Uhr stehen?

Bilder: Phone Arena

Von Michael

3 Gedanken zu „Meinung: die Apple Watch“

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