Lange habe ich jetzt das Google Pixel XL als mein Hauptgerät fürs tägliche Schreiben, Videos gucken, daddeln, surfen, fotografieren und alles andere genutzt. Das Testgerät wurde mir direkt von Google zur Verfügung gestellt, wofür ich mich recht herzlich bedanke! Aber jetzt ist es an der Zeit ein Fazit zu ziehen: ist das Google Pixel / Pixel XL das beste (Android-)Smartphone, das man kaufen kann? Ich habe einige Zweifel.
TL;DR
Das Pixel XL ist ein sehr, sehr gutes Smartphone. Mit der schnellste Prozessor in einem Gerät, ausreichend viel RAM, ein knackiges und sehr gutes Display, eine tolle Kamera. Aber es hat auch deutliche Nachteile gegenüber der Konkurrenz (und sogar den Vorgängern gegenüber), wie etwa einen unerwartet problematischen Lautsprecher, ein fragwürdiges Design, mäßiger Grip und nicht zuletzt die künstliche Exklusivität, die Google geschaffen hat, um den Kaufpreis zu rechtfertigen.
Ich würde mir das Pixel oder das Pixel XL nicht privat kaufen. Warum genau erfahrt ihr, wenn ihr weiter lest.
Verarbeitung und Design
Fangen wir mit den offensichtlichen Äußerlichkeiten an. Das Design der Pixel-Smartphones hat schon sehr früh zu Kontroversen geführt. Manche lieben die Optik, aber viele empfanden das Design nach (nicht offiziell) HTC eher nicht ansprechend. Verhältnismäßig große, vermeintlich ungenutzte Bereiche ober- und unterhalb des Displays, breitere Rahmen an den Seiten, als bei anderen Konkurrenz-Geräten lassen die Front nach weniger Display aussehen, als man eigentlich bekommt.
Dabei relativiert sich das, sobald man das Smartphone das erste Mal in der Hand hat. Die Ränder erscheinen bald nicht mehr so riesig und selbst das größere Pixel XL ist noch deutlich handlicher, als Apples iPhone 6S Plus, das ebenfalls mit 5,5 Zoll aufwartet.
Das Gehäuse selber hat sehr angenehm in der Hand liegende Kanten an den hinteren Seiten, die irgendwie schon sehr schick sind, aber auch dafür sorgen, dass das Gerät weniger dick wirkt, wenn man es hält, als es tatsächlich ist. Auf der rechten Seite sitzen Lautstärkewippe und Power-Button. Letzterer ist geriffelt, wie bei vielen anderen Geräten – das sorgt für einfaches Aufspüren, auch ohne hinsehen zu müssen und beide Tasten lassen sich sehr gut bedienen und bieten kein Spiel. Auf der oberen Seite findet man einen Kopfhöreranschluss, was das Pixel den aktuellen iPhones voraus hat und auf der Unterseite befinden sich drei Öffnungen für den Lautsprecher, USB Typ-C und das Mikrofon.
Die Rückseite ist eine spezielle Sache: ein großes Areal ist nur eine metallene Fläche mit lediglich dem Google-„G“, die hart von dem großen Glas-Panel abgegrenzt ist. Hier drin hat Google neben Fingerabdruckscanner und Kamera auch eine Reihe von Antennen integriert, die man sonst in den Rahmen hätte einsetzen müssen. Das ändert allerdings nichts daran, dass es sowohl im oberen, wie auch im unteren Bereich des Gehäuses zwei „Antennen-Streifen“ gibt.
Ich gehöre zu der Fraktion, die dem Glas-Rechteck auf der Rückseite nicht all zu viel abgewinnen kann. Es macht das rutschige Smartphone nicht wirklich griffiger und ist ein Fingerschmieren-Magnet par excellence. Zudem hat Google aktuell noch Probleme mit lens-flares, die bei Fotos mit seitlich einfallendem Licht entstehen können – wohl bedingt durch eben dieses Panel.
Dass das Pixel und das Pixel XL im Kopf-Bereich dicker sind, als unten fällt einem übrigens nicht wirklich auf, wenn man nicht nachmisst.
Performance und Spezifikationen
Auf dem wohl offensichtlichsten Punkt will ich gar nicht lange herumreiten; die Pixel-Smartphones sind verdammt zackig. Der Snapdragon 821 macht seine Arbeit vorbildlich und Apps werden schnell geöffnet, Ladezeiten gibt es nur bei größeren Games und selbst bei geteiltem Bildschirm mit einer App oben und einer weiteren unten (oder im Querformat links und rechts) hat das Gerät keinerlei Probleme. Benchmark-Ergebnisse platzieren das Pixel XL zwar nur irgendwo im oberen Bereich der Ranglisten und nicht an Platz 1, aber dass das nicht unbedingt etwas zu sagen hat, habe ich ja schon häufiger angemerkt.
[expand title=“Benchmarkergebnisse des Pixel XL“ scrollonclose=“auto“]
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[expand title=“Spezifikationen des Pixel XL“ scrollonclose=“auto“]
Display | 5,5 Zoll AMOLED (Gorilla Glass 4) |
Auflösung | 2560 x 1440 |
ppi | 534 |
SoC | Snapdragon 821 quad-core (2,15GHz) |
RAM | 4GB |
Speicher | 32/128 GB |
Speicherkarte | nein |
Akku | 3.450mAh |
Hauptkamera | 12,3 Megapixel (f/2.0, 1,55um) |
Frontkamera | 8 Megapixel |
Fingerabdruck-scanner | ja, rückseitig |
IP-Zertifizierung | IP53 |
Anschlüsse | USB Typ-C, 3,5mm Klinke |
Abmessungen | 154,7 x 75,7 x 8,6 mm |
Gewicht | 168g |
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Display
Da ich nur das Pixel XL zum Testen hatte, kann ich natürlich nur darüber urteilen, wobei davon auszugehen ist, dass das Display des kleineren Pixel gleichwertig sein dürfte (wenn auch weniger hoch auflösend).
Und das Display des Pixel XL ist gut. Sehr gut sogar. Für ein AMOLED-Panel ist es so hell, dass man im Sonnenlicht selten Probleme hat, es ablesen zu können. Die Auflösung ist mit 1440p so hoch, dass man natürlich keine „Pixel“ sieht, aber eigentlich erst in VR-Anwendungen so richtig Sinn ergibt. Ich persönlich bevorzuge größere Smartphones mit Panels von mindestens 5,5 Zoll und muss sagen, dass das Pixel XL alleine in Hinblick auf das Display für mich eine fast optimale Größe hat.
Warum man aber den Pixel-Smarpthones das Ambient Display des Nexus 6P (zum Testbericht) vorenthält erschließt sich mir ganz und gar nicht. Was Motorola seinerzeit eingeführt hatte, hatte Google letztes Jahr noch sinnvoll im Flaggschiff eingesetzt und auf dem dafür prädestinierten Display beim Pixel einfach ausgelassen…
Lautsprecher
Ich bin ja ausgesprochener Fan von Frontlautsprechern. Besser noch finde ich es, wenn der Ton in Stereo aus dem Smartphone kommt. Und das hat sich Google beim Pixel leider gespart. Es gibt einen Lautsprecher auf der Unterseite des Smartphones, der befindet sich links vom USB-Anschluss. Der klingt zwar überraschend gut für die kleine Öffnung und dafür, dass er nur in Mono brüllt, aber er hat wie viele andere Lautsprecher auch ein deutliches Problem: man deckt ihn mit nur einem Finger extrem leicht ab. Wenn ich das Pixel XL hochkant in der Hand halte, liegt in 90% der Fälle genau mein kleiner Finger auf der Öffnung und sorgt dafür, dass diese fast immer komplett verdeckt ist. Das war es dann leider mit der Musik. Auch wenn man das Smartphone quer hält sorgt die Platzierung dann dafür, dass er eher bedeckt wird, als dass man den vollen Klang genießen kann. Das ist in meinen Augen total schade, gerade weil der Lautsprecher eigentlich sehr gut ist!
Warum man nicht an den Frontlautsprechern der letzten beiden Geräte festgehalten hat, weiß niemand. Ich hätte mir wenigstens einen Lautsprecher auf der Front á la Nexus 5X gewünscht.
Kamera
Mit der Kamera im Pixel hat Google wohl zurecht die beste Bewertung im DxO-Mark erhalten. Die Kamera ist wirklich gut und macht selbst bei wirklich sehr, sehr schlechten Lichtverhältnissen noch immer um ein Vielfaches bessere Bilder als andere Smartphones. Das ist zu Teilen dem Auto-HDR+ Modus, der übrigens immer aktiviert ist und auf Wunsch deaktiviert werden kann und den extra-großen Pixeln im Bildsensor der Kamera geschuldet. Die 1,55 µm großen Sensor-Pixel findet man übrigens schon im Nexus 5X und Nexus 6P (aber dazu gleich mehr).
Fotos, die man mit dem Pixel XL schießt sehen in 99% der Fälle toll aus. Ich persönlich finde es zwar absolut unverständlich, dass HDR+ jedes Mal aktiviert ist, wenn ich die Kamera starte und ich es, wenn ich mich eben mal nicht auf die Automatik verlassen will, es jedes Mal manuell deaktivieren muss – dafür sind Bilder in HDR aber immerhin nicht so arg überarbeitet, wie es bei vielen anderen Smartphones der Fall ist. Dabei ist Googles Argument übrigens, dass Auto-HDR+ so schnell ist, dass es keinen Unterschied macht, ob man mit oder ohne fotografiert. Und das ist auch tatsächlich der Fall. In beiden Fällen sind Bilder sofort geschossen und werden erst im Nachhinein softwareseitig zusammengeführt.
Ich persönlich hatte übrigens nie Probleme mit den lens-flares, die einige Nutzer berichten. Vielleicht hatte ich nie in gerade diesem einen Winkel geknipst, vielleicht lag es an etwas anderem.
Testfotos Pixel XL
(Google Fotos)
keine Über-Kamera
Während die Kamera des Pixel XL zwar sehr gut ist, muss ich hier aber einmal den naheliegenden Vergleich mit einem der Vorjahresgeräte machen: Im direkten Vergleich mit dem Nexus 6P habe ich (wenig überraschend) kaum Unterschiede in der Qualität der Fotos bemerkt. Beide Smartphones (bzw. alle 4: 5X, 6P, Pixel, Pixel XL) schießen mit 12 Megapixeln und haben 1,55 µm Pixel im Sensor. Dank eines Kamera-Mods knipst mein Nexus 6P sogar in Auto-HDR+ genau so schnell, wie das Pixel XL.
Kamera-Vergleich: Pixel XL vs Nexus 6P
(Google Fotos)
Das ist nicht unbedingt ein Argument gegen das Pixel XL – aber es könnte für Menschen mit Smartphone-Foto-Fetisch ein Argument für das Nexus 6P sein… Allerdings sei gesagt, dass das 6P durch den schwächeren Snapdragon 810 nicht in der Lage ist, 4K-Aufnahmen auch mit dem Elektronischen Bildstabilisator zu filmen und für die Verarbeitung der HDR+ -Bilder etwas länger braucht.
Akku
Zum Akku des Pixel kann ich keine Aussage treffen, da ich eben nur das Pixel XL zum testen hier hatte. Das kleinere Gerät besitzt aber einen entsprechend kleineren Akku, der mit 2.770mAh aber wohl ähnlich gut dimensioniert ist, wie eben die 3.450mAh für das Smartphone mit 5,5 Zoll.
Und der Akku hat mich zufrieden gestellt. Durch die weiteren Energiespar-Optimierungen in Android Nougat verliert das Smarpthone endlich in jeder Situation, in der es einfach im Standby wartet fast keine Ladung – so wie es Geräte mit iOS schon lange vormachen. Bei normaler Nutzung hat mir der Akku am Ende des Tages immer noch um die 20-30 % angezeigt, was nicht viele Geräte leisten können.
Durch die Unterstützung von QuickCharge kann man dem Pixel XL außerdem tatsächlich innerhalb weniger Minuten noch einige Prozent reindrücken, was vor dem abendlichen Ausflug für eine gewisse Beruhigung sorgt.
Software
Dieser Punkt spaltet mich besonders: auf der einen Seite habe ich die neuen Features in Android 7.1, die exklusiv für die Pixel-Smartphones sind schon sehr genossen – auf der anderen Seite sind diese auch nur dank künstlicher Grenzen exklusiv für die beiden Geräte und können für engagierte Nutzer mit relativ wenig Aufwand auch auf andere Smartphones gebracht werden. Und diese künstlichen Grenzen ärgern mich. Aber fangen wir erst einmal damit an, was Pixel und Pixel XL denn anderes können, was sonst niemand leisten kann.
Pixel Launcher, der night mode und der Google Assistant sind 3 Features, die man auf anderen Smarpthones vergebens sucht (sofern man nicht bereit ist, ein wenig zu basteln). Dabei ist der Pixel Launcher zwar etwas Anderes, aber in meinen Augen nichts, was ich auf anderen Smartphones vermissen würde. Das Hochziehen des App-Drawers war anfangs gewöhnungsbedürftig, aber wurde schnell zu einer gewohnten Bewegung. Was mir allerdings immer wieder aufstieß war, dass das vom Google Now Launcher gewohnte Mikrofon oben rechts in der Ecke meines Homescreens wegfällt. Und erst wenn etwas nicht mehr da ist, merkt man, wie oft man es benutzt. Ansonsten aber ist der Pixel Launcher kaum etwas anderes als der Google Now Launcher, den ich weiterhin gerne als meinen Launcher der Wahl benutze.
Die Exklusivität des night mode begründet Google zwar in der Hardware des Pixel, aber dass das nur die halbe Wahrheit ist, kann ich unmöglich nicht glauben. Es gibt zuhauf Apps (manche besser, manche schlechter), die das Smarpthone-Display etwas abdunkeln und mit einem Blaufilter belegen, um abends die Augen zu schonen (eine habe ich hier emfpohlen). Selbst Google räumt ein, dass man den night mode auch noch auf ältere Nexus-Geräte bringen könnte.
Das wohl exklusivste Feature ist aber eindeutig der Google Assistant, Googles bessere Spracheingabe/-Suche, die auch Spielereien kann. Dabei wird der Assistant verwendet, wie die ’normale‘ Sprachsuche, die man unter anderem über „Okay Google“ auslösen kann. Allerdings ist der Assistant eine intelligente Zusammenführung ebendieser Sprachsuche und Google Now und soll einem so nicht nur einfache Antworten, sondern auch relevante Informationen im Kontext liefern. Das klappt zum Beispiel, wenn man sich seine Agenda für den kommenden Tag auflisten lässt. Wenn man denn den richtigen Befehl kennt. Denn auch der Google Assistant ist noch recht picky, was die Reihenfolge und Auswahl von Wörtern angeht, die einen Befehl formen.
Dabei muss ich leider zugeben, dass der Google Assistant mir nicht wirklich mehr gab, als die reguläre Sprachsuche. Ich nutze die Spracheingabe vor allem unterwegs viel, etwa um Nachrichten zu diktieren, Anrufe zu starten oder Erinnerungen zu erstellen. Aber das war auf dem Pixel XL nicht besser, als auf anderen Smartphones mit Googles Spracheingabe.
Exklusivität – oder: die Kritik
Wie Google dafür sorgt, dass das Pixel und Pixel XL ihren Anreiz nicht verlieren ist einmal offensichtlich und einmal etwas weniger offensichtlich. Offensichtlich ist die breit angelegte Werbekampagne für die Smartphones; Print-, TV- und Online-Werbung sieht man allerorts, die das Phone by Google bewerben.
Was Google allerdings auch tut, ist die Pixel-Geräte ein stück weit künstlich exklusiv zu machen, indem man bestimmte Software die darauf läuft eben nicht für zum Beispiel die Nexus-Smartphones 5X und 6P (die ja erst gut ein Jahr alt sind) verfügbar zu machen. Das finde ich recht fragwürdig und während ich verstehen kann, dass man diese paar Punkte (Google Assistant, night mode, Pixel Launcher, Fingerabdruck-Gesten) als besondere Merkmale seitens Google hervorheben will, würde der Otto-Normal-Käufer wohl kaum von alleine darauf kommen, dass er sich diese Features auch auf ältere (und günstigere) Geräte holen kann und dann anstelle des Pixel eher ein Nexus kaufen würde. Denn (ja, ich weiß, dass schon viele, die bis hier hin gelesen haben, innerlich geschrien haben „ja, das kannst du dir doch mittels Root selber auf dein Handy machen!“) wer sich ein wenig engagiert und recherchiert, der wird schon längst herausgefunden haben, dass man sich mindestens sein Nexus 5X zu einem Pixel und sein Nexus 6P zu einem Pixel XL umfunktionieren kann.
Und trotzdem: meiner Auffassung nach widerspricht dieses künstliche Exklusivität dem, was ursprünglich mal die Idee von Android war. Nämlich einer breiten Masse von verschiedenen Geräten die gleichen Möglichkeiten zu bieten. Quasi be together not the same. Aber das ist nicht das, was ich bei Googles Pixel sehe.
Fazit
Das Pixel XL ist für sich genommen ein tolles Smarpthone und ich habe viel Freude gehabt, es zu benutzen! Ich persönlich würde aber dem Gerät alleine wegen des rutschigen Metall-Bodys wohl einen Skin von dbrand oder Slickwraps verpassen (und vielleicht auch, um das Glaspanel auf der Rückseite zu verbergen, bzw. zu schützen). Die Verarbeitung ist top, die Performance ist top, die Kamera ist top, der Akku ist top – und trotzdem bin ich mit meinem Nexus 6P genau so zufrieden, nachdem ich ein Paar Anpassungen vorgenommen und es ein wenig „verpixelt“ habe. Und das habe ich für 400€ geschossen – also weniger als die Hälfte dessen, was ich für ein Pixel XL zahlen müsste. Und das sind die beiden Punkte, die ich am Pixel kritisieren muss: der Preis und die Software-Features, die man eben nicht mit dem regulären Update auf 7.1.1 bekommt.
Abschließend greife ich noch einmal die Frage auf, die ich zu Anfang gestellt habe: ist das Google Pixel / Pixel XL das beste (Android-)Smartphone, das man kaufen kann? Und die Antwort müsste wohl sein: ja, ist es – außer man investiert ein wenig Arbeit und modifiziert sein bestehendes Gerät mittels CustomRoms oder einzelnen Software-Paketen.